Raffs Raritäten

Dr. Gerhard Raff befasst sich in seiner Kolumne “Raffs Raritäten”, die in der Stuttgarter Zeitung erscheint, mit dem Gmünder Münzgraveur und Medailleur Peter Hartenbeck:

 

Raffs Raritäten MXXXVIII

 

Ein Schwabe namens Pedro Ardebeco

 

Unser Kolumnist erinnert an den vor 400 Jahren verstorbenen Medailleur Peter Hartenbeck.

 

Ehrlich wahr: Vorige Woch om dui Zeit hätte von dem bedeutende Landsmann überhaupt no nex gwißt, aber ein treuer Leser aus Schwäbisch Nazareth hat mir des grad noch rechtzeitig verzählt. Dankschee ! Der mit seim “Herrenberger Altar” en dr Staatsgalerie mittlerweile weltberühmte, gleichfalls aus Gmünd gebürtige Maler Jerg Ratgeb (om 1480–1526) isch als Kriegsrat ond Kanzler em Baurekrieg grad amol a Vierteljahrhondert zom Tod verurteilt ond gevierteilt gwä, da isch en dere (en dr Reformation kadolisch bliebene) Freie Reichsstadt “Schwebischen Gmündt” em Remstal onser Jubilar oms Jahr 1550 als Jonger vom “Hurfschmid Ulrich Hartterbeckh”, dem “tochtermann” (Schwiegersohn) vom Blasius Strobel uff d’Welt komme.

Ällem nach hat’r en seiner Vatter-, dere “Gold- und Silberstadt Gamundia” sei Handwerk beime Gold- oder Silberschmid en dr Zunft der “Feuerarbeiter” glernt ond isch no später “einer der künstlerisch herausragendsten, einflussreichsten und technisch fortschrittlichsten Münzgraveure seiner Zeit” ond uff dr Welt worde.

 

Anno 1584 fendet mr ihn als “Eisenschneider” (also Münzgraveur) en der Freien (ond schwäbischen) Reichsstadt Augsburg em Lechtal, wo seinerzeit “das quantitativ (und wohl auch qualitativ) herausragendste Goldschmiedehandwerk” drhoim isch. En dem Juni von dem Jahr kommt nämlich a Headhunter-Delegation vom sonnenontergangslose Habsburger Weltreichbeherrscher Kaiser Karl V. (1500-1558) seim Jonge, dem Philipp II. (1527–1598), Keenich von Spanien inclusive transatlantischer Kolumbuskolonien ond drzuena Niederlande samt Freigrafschaft Burgund, Keenich von Sizilien ond Neapel, Keenich von Sardinien ond Herzog von Mailand, ond seit 1580 au no Keenich von Portugal inclusive Brasilien, nach “Augusta Vindelicorum” in Suevia. Die sollet ihn ond no a paar gleichfalls “hierauff verstendige teügliche Personen” als “Weltmarktführer für Münzprägemaschinen” abwerbe ond nach Spanien hole.

 

Ond mit dem Eiverständnis von seim habsburgische Vetter Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1529–1595), “Witwer der außergewöhnlich schönen, aber nicht standesgemäßen Augsburger Patriziertochter Philippine Welser” (1527–1580), konstruieret se en Hall en Tirol so a zwoiahalb Tonne schweres Apparätle für den Export nach Iberia, ond der Peter Hartenbeck mit seim Weib Regina Classmüller ond neun weitere Spezialiste macht sich em Oktober 1584 uff “die lange und gefahrenvolle Reise nach Spanien”. Per Gaul über die pestverseuchte Alpe ond no per Schiff von Genua über des von zahllose “nordafrikanischen moslemischen Seeräubern” besegelte Mittelmeer nach Barcelona. Ond no uff dem “von katalonischen Banditengruppen” gesäumten Landweg per Lastwage nach Madrid ond weiter über die arg bucklige Sierra de Guadarrama. Ond am 1. Juni 1585 kommet se (“da waren’s nur noch sieben”) an ihr Ziel, en des 1000 Meter hoch glegene Städtle Segovia.

 

Da bauet se ihr “Wundermaschine” wieder zamme, ond dr Keenich höchstpersönlich mit seiner Familie guckt vorbei ond freut sich, dass älles so wunderbar funktioniert. Weil mr die komplizierte Technik en dem “neien Munztruckhwerch in Hispanien” aber dene oglernte Spanier nadierlich net überlasse ka, die dätet’s ja “richten, das es in acht tagen nit mehr taugt”, müesset die Schwabe dahonne bleibe ond uff des Sach uffpasse. Erst nach zehn Jahr därf ond kann der “Pedro Ardebeco” mit seiner Regina wieder weg. Ond schafft jetz voll seiner Lebtag en dr Münzstätte Hall en Tirol ond hat sei Hoimet em Remstal nemme gsehe ond stirbt am 20. April 1616 dahonne am Inn. Ond trotzdem, dass’r “zur großen Freude der Numismatiker” die ällerscheeschte Münze ond Medaille für die Habsburger Kaiser ond Fürste ond “die allerersten maschinell gefertigten Münzen des Spanischen Weltreichs” gmacht hat, gibt’s von ihm selber net amol a Bildle.

 

Des Städtle Segovia samt seiner Münzwerkstatt zählt seit 1985 zom “UNESCO-Weltkulturerbe”. Ond obedrei gilt die Hartenbecksche Münzwerkstatt dort heut als des “älteste noch existierende industrielle Gebäude Spaniens“. Ond wer no meh über onsern vergessene Landsmann aus Gamundia erfahre will, der soll obedengt des faszinierende ond präzise Buech lese von seim Wiederentdecker Andreas Udo Fitzel: “Peter Hartenbeck (um 1550–1616). Von einem wackeren Schwaben aus Gmünd, Wundermaschinen, abenteuerlichen Reisen und abertausenden Silbertalern” – 2007 erschiene em Gmünder Einhornverlag ond mit 10 Euro fast gschenkt. Bitte beim aständige Buechhändler kaufe ond net beim Amazon.

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